Chronik einer 'Geschäftsreise'

im VW-Bus nach Weißrussland

13.07. - 20.07.2000

 

Vorwort

Russland bzw. die Länder die früher dazu gehörten - da wollte ich schon immer einmal mit dem Auto hinfahren. Nachdem vor zwei Jahren ein erster (halbherziger) Versuch bereits am Visum für die Ukraine gescheitert war, bot sich jetzt eine neue Gelegenheit. Andreas, ein Freund von mir, musste aus geschäftlichen Gründen nach Minsk. Mein Vorschlag, doch mit meinem alten VW-Bus dahin zu fahren, fand auch gleich seine Zustimmung - und das mit dem Visum war als Geschäftsreisende natürlich auch kein Problem.

Die Sache mit den Reiseberichten die ich im Internet, insbesondere über Afrika, bereits gefunden hatte gefiel mir. Einerseits haben sie meist einen gewissen Unterhaltungswert und Andererseits sind sie oft eine gute Informationsquelle. Also entschlossen wir uns, das doch auch einmal zu probieren. Ausgerüstet mit Laptop und Digitalkamera machten wir uns also auf den Weg nach Osten. Hierbei entstand der folgende Bericht, in dem wir ohne einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder tiefgründige historische Informationen unsere subjektiven Erlebnisse während dieser Reise schildern. Um dem Bericht eine Mindestmaß an Struktur zu geben, ist jedem Tag ein eigenes Kapitel gewidmet.

 

Für Fragen, Kritik oder Lob: email: solfut@gmx.de

 

 

Do 13.07.2000: Die Abfahrt

Erst mal den VW-Bus voll packen, insbesondere mit Essen und Getränken - man weiß ja nie so genau, ob es dort alles gibt was man denn gerade so braucht (bzw. meint zu brauchen). Und was die Grundnahrungsmittel betrifft: die gibt es wohl, aber angeblich sind sie als Folge von Tschernobyl noch verstrahlt.

Nachdem alles gut verstaut war, machten wir uns kurz vor Einbruch der Dunkelheit endlich auf den Weg in Richtung Osten.


Der VW-Bus vor der Abfahrt

 

Fr. 14.07.2000: Durch Polen

Mit einem alten VW-Bus fährt man nicht so schnell, aber dafür kontinuierlich. Das haben wir auch getan - die ganze Nacht durch. Vorbei an Nürnberg und Dresden waren wir morgens um 6.00 Uhr dann in Görlitz an der Grenze nach Polen. Die Einreise war völlig unproblematisch. Ich war richtig enttäuscht: die wollten nicht einmal meine neue Grüne Versicherungskarte sehen, die ich noch extra vor der Abfahrt besorgt hatte. Bei früheren Polenreisen hatte ich den Eindruck gewonnen, dass diese Karte zumindest genauso wichtig wie der Ausweis ist.

Nachdem wir dann in Polen waren, mußte erst einmal gefrühstückt werden:


Frühstück bei Jesewin (Polen)

Danach ging es auf einer Autobahn weiter, bei deren Oberflächenbeschaffenheit in Deutschland bereits jeder Feldweg aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt werden würde. Aber nach einem ausgedehnten Frühstück kann man so manches ertragen - und irgendwann wurde die Autobahn auch wieder besser.

Gegen Mittag erreichten wir Wroclaw, das früher Breslau hieß. Also erst mal die Stadt besichtigen - nach dem zweiten Versuch hatten wir auch das Zentrum gefunden. Wie alle größeren polnischen Städte (die ich bisher besucht hatte), verfügt auch Wroclaw über einen alten, super sanierten historischen Stadtkern (Elisabethkirche, Gebäude am Rynek, Rathaus)

Da es ein sonniger Nachmittag mit angenehmen Temperaturen war, tummelten sich auf dem zentralen Platz (Rynek) allerhand beeindruckende Charaktere (Gaukler, Harfenspieler und Sänger und Frauen)


Turm der Elisabethkirche und Straßenzug am Rynek (Wroclaw)

 


Rathaus und Harfenspieler auf dem Rynek (Wroclaw)

Nach einer kurzen Stadtbesichtigung ging es weiter nach Osten. Die Straßen wurden zunehmend besser und die Verkehrsdichte entsprach etwa jener, die bei uns an einem autofreien Sonntag herrscht.


Auf der Straße nach Osten)

Nahezu endlose Getreidefelder prägten die leicht hüglige Landschaft. Auf einigen Feldern wurde das Getreide bereits gedroschen - meist mit Mähdreschern, aber gelegentlich sah man auch noch zum Trocknen aufgestellte Garben.


Getreidefelder und zum Trocknen aufgestellte Garben

 

Natürlich waren auch die letzten Überbleibsel der Wohlstandssymbole des untergegangenen Sozialismus nicht zu übersehen - rauchende Schornsteine und Plattenbauten.


Plattenbauten

Als langjähriger Wildcamper glaube ich im Hinblick auf die Schlafplatzsuche über ein ausreichendes Maß an Erfahrungen zu verfügen. Aber heute Abend gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Stellplatz für die Nacht doch unerwartet schwierig. Kaum näherten wir uns einem Platz, der weder von der Straße noch von irgendwelchen Häusern einzusehen war, gab es doch in der Nähe bestimmt irgendwelche Bauern die noch auf ihren Feldern arbeiteten - und da behaupten mache Leute die Polen wären faul!? Irgendwann, schließlich wurde es langsam auch dunkel, hatten wir einen geeigneten Platz gefunden (ca. 80 km westlich von Warschau, polnisch Warszawa).

 

Sa. 15.07.2000: Die Grenze nach Weißrussland

Die Basis für den Tag bildet nun mal ein ausgedehntes Frühstück. Da wir heute nach Weißrussland einreisen wollten und wir über die Grenze bereits die schlimmsten Storys gehört hatten (Wartezeit bis zu drei Tagen etc.) mußte das Frühstück extra umfangreich ausfallen und das Ambiente hier war schließlich auch ganz angenehm.


Frühstück

Gegen Mittag machten wir uns dann wieder auf den Weg. Vorbei an Warschau fuhren wir nach Terespol zur Grenze. Bis auf eine Radarkontrolle klappte alles ganz gut. Statt der erlaubten 60 km/h sind wir nach Messungen der polnischen Polizei mit 71 km/h unterwegs gewesen. Die Folge: 50 Zloty (ca. 25,- DM).
Die Landschaft wurde immer ursprünglicher. Auf den Stromleitungsmasten am Straßenrand gab es viele Storchennester.


Storchennester am Straßenrand

Etwa 5 km vor der Grenze wurden wir durch Hupen und Blinken von einem neueren 5er BMW mit weißrussischem Nummernschild zum Anhalten aufgefordert. Er würde an der Grenze arbeiten und könne dafür sorgen, dass wir die Grenze in maximal 5 min passieren könnten. Das hörte sich ganz unglaublich an und da uns von solchen Aktionen abgeraten wurde, ließen wir uns auch auf keine weiteren Verhandlungen mit ihm ein. Als wir weiter fuhren machten wir uns so unsere Gedanken und diskutierten darüber, wie viel uns wohl ein "beschleunigter Grenzübergang" wert ist. Noch nicht in Sichtweite der Grenze kamen wir zu dem Ergebnis, dass uns ein Versuch max. DM 50,- wert wäre. So erreichten wir dann die Grenze bzw. das Ende einer unendlichen Schlange (von der Grenze war selbst am vorderen Horizont noch nichts zu sehen...) Bei dieser "Aussicht" waren wir ganz plötzlich doch zu weiteren, allerdings noch nicht näher bezifferten Zugeständnissen, bereit. Wir hatten uns kaum am Ende angestellt, da hielt in zweiter Reihe ein Audi mit polnischem Kennzeichen neben uns an. Einer der Insassen erklärte uns, dass wir mit ca. 1-2 Tagen Wartezeit rechnen müssten. Er könne uns aber in der Schlange ziemlich weit nach vorne bringen. Dann wären wir in ca. 2 Stunden am Schlagbaum. Das hörte sich doch interessant und einigermaßen glaubhaft an. Der Haken an der Sache war nur der Preis von USD 200,-. Glücklicherweise hatten die Preisverhandlungen mehr den Charakter eines notwendigen Rituals, so dass wir uns ziemlich bald auf DM 50,-. einigten. Nun fuhren wir dem polnischen Audi hinterher, links an der Schlange der wartenden Autos vorbei.

Ziemlich vorne, bereits in Sichtweite des ersten Schlagbaums, warteten "Kollegen" unseres Helfers und sorgten bei jeder Bewegung der Schlange für die notwendigen Lücken um zahlungswillige Fahrzeuge einzuschleusen. Die Schlange bewegte sich meistens gar nicht und wenn doch, dann nur Bruchteile von Autolängen. Prinzipiell hätte man das Auto also schieben können - ist das doch die ökologischte Art der Fortbewegung in einem Kfz. Aber in jeden noch so kleinen Zwischenraum versuchte sich jemand anders reinzudrängen. Also wenn es schon mal drei Meter weiter ging, dann notgedrungen mit maximaler Beschleunigung.

Während wir so in der Schlage standen, kam ein uniformierter Mensch und verkaufte jedem irgendwelche offiziell aussehenden Papierschnipsel. Die drei Stück, die man uns verkauft hat, haben 5 Zloty gekostet - wobei mir bis heute nicht klar ist, wofür sie gut sein sollten.

Wenn man schon ziemlich unproduktiv rumstehen muss, kann man die Zeit auch dazu nutzen um Infos für das weitere Vorgehen zu sammeln. Das haben wir dann abwechselnd auch getan. Es liegt nahe, die Fahrer der Autos mit deutschen Kennzeichen anzusprechen. Aber erstens gab es davon nicht sonderlich viele und zweitens müssen deren Fahrer nicht zwingend der Deutschen Sprache mächtig sein. Irgendwann haben wir dann einen richtig gut Deutsch sprechenden und hilfsbereiten Spätaussiedler aus Göttingen getroffen (ich war schon immer davon überzeugt, dass es sinnvoll war diese Leute nach Deutschland zu holen!). Er erzählte, dass er schon mehrmals hier über die Grenze gegangen wäre, aber so schlimm wie dieses mal sei es noch nie gewesen. Für seinen Platz in der Reihe (etwa fünf Autos hinter uns) hatte er DM 200,- bezahlt - nachdem man ursprünglich 200 $US von ihm wollte.

Derweil wir so in der Schlange standen fuhr ein Militärfahrzeug vorbei und die Insassen schrieben sich sämtliche Autonummern auf. Angeblich wurde hier die Reihenfolge festgelegt wie die Autos vorne an der Grenze ankommen müssen - reindrängeln war jetzt also nicht mehr möglich.


Warten an der Grenze

Nach ca. 2 Stunden waren wir dann vorne am polnischen Teil der Grenze. Da ging dann alles ziemlich schnell und problemlos. Was mich etwas erstaunte war, dass der polnische Grenzer die Grüne Versicherungskarte sehen wollte - was macht das bei der Ausreise für einen Sinn? Wie wir später noch lernen sollten machen viele (die meisten) Dinge die an einer Grenze passieren, keinen Sinn.

Ziemlich schnell waren wir dann am ersten weißrussischen Schlagbaum. Nach kurzem Anstehen ging es weiter zur eigentlichen Grenze. Man konnte sich auf zwei Spuren anstellen, wobei auf jeder etwa sieben Autos standen.

Vorne an der Grenze mußte man irgendwelche (russischen) Formulare ausfüllen. Ich schaute daher immer ganz verzweifelt nach hinten, in der Hoffnung bald den Spätaussiedler zu sehen, der mir doch sicher bei Ausfüllen behilflich sein würde. Als wir dann fast vorne waren, kam er tatsächlich an. Ich erklärte ihm das Problem und er bemühte sich bei einem der Grenzbeamten um Formulare in Deutscher Sprache - was es nicht alles gibt! Es waren zwei gleiche Formulare, die man ausfüllen mußte. Es waren Angaben zum Fahrzeug, zu den mitgeführten Wertgegenständen, etc. zu machen. Mit den ausgefüllten Formularen mußte man in ein Büro gehen um sich dort einige Stempel auf die Formulare und die in den Reisepässen befindlichen Visas drücken zu lassen. Vor dem Büro stand eine ganze Menschentraube. Einige hatte irgendwelche Getränkedosen (wohl für die Grenzer) dabei. Also schnappte ich mir auch zwei Dosen Bier und Cola und begab mich in das Büro. Ziemlich schnell waren unsere Pässe und die Formulare gestempelt. Ein Formular behielt der Grenzer, das andere bekam ich zurück. Nun war also der Weg nach Weißrussland frei!
Mittlerweile waren wir auch ganz vorne angelangt. Ein Grenzer prüfte nochmals unser Formular und unsere Reisepässe incl. Visa, dann wurden wir durchgewunken. Nun ging es durch den Grenzstreifen und über eine Brücke. Danach kam der nächste Schlagbaum. Als wir dort ankamen wurde uns erklärt, dass wir jetzt erst mal eine Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Also erst mal parken (Platz gab es ja genug) und die Lage checken. Die Versicherungen gab es wohl in einem der weißen Blechcontainer, die auf dem Parkplatz standen. In dem Container war aber niemand. Davor jedoch zwei Leute, deren Äußerungen ich so interpretierte, dass man warten müßte. Was sollte man auch anders tun. Irgendwann kam dann auch 'mein' Spätaussiedler an - dann warteten wir gemeinsam.


Der 'Versicherungscontainer' (links) und das Warten davor (rechts)
(Ich bin der mit dem weißen T-Shirt; links von mir der hilfsbereite Spätaussiedler)

Nach ca. 30 min ging es im Versicherungscontainer weiter. Mit Hilfe des Spätaussiedlers war der Abschluß der Haftpflichtversicherung (DM 9,- für zwei Wochen) dann auch bald erledigt. Verkauft wurde mir die Versicherung von einer ziemlich gut aussehenden und ansprechend gekleideten Frau - wenn ich die am Straßenrand gesehen hätte, wäre ich mir fast sicher gewesen, dass sie ihr Geld wohl nicht mit dem Verkauf von Versicherungen verdienen würde. So, jetzt konnte es also endlich nach Weißrussland gehen. Die Straße nach Brest war sehr breit (zwei sehr breite Fahrspuren in jede Richtung) und ohne Verkehr. Etwa 1 km hinter der Grenze beginnt bereits Brest.


Straße von der Grenze nach Brest

Wir hatten gehört, dass es beim Hotel Intourist in Brest einen Campingplatz geben sollte der auch vom Reiseveranstalter Perestroika-Tours aus Hausbay/Pfalzfeld benutzt wird. Von dort bekamen wir freundlicher Weise auch einen Stadtplanausschnitt zugefaxt, auf dem das Intourist-Hotel eingezeichnet war.

Am ersten Kreisverkehr standen zwei mit Gewehren bewaffnete Polizisten. Dies erstaunte uns etwas, zumal die Grenzer nicht bewaffnet waren.

Das Hotel Intourist war schnell gefunden. An der Rezeption des Hotels machte ich die Erfahrung, dass man ein ca. 10-stöckiges Hotel mit schätzungsweise 300 Zimmern auch heute noch ohne Computer verwalten kann. Da vor mir allerdings zwei Personen waren (vermutlich Reiseleiter), welche die Schlüssel für insgesamt 15 Zimmer abholten, wurde mir auch ziemlich schnell der entscheidende Nachteil einer computerlosen Hotelverwaltung deutlich. Nach ca. 45 min war ich dann also an der Reihe. Als ich die Frau an der Rezeption (die übrigens sehr gut Englisch sprach) nach dem Campingplatz fragte, erklärte mir diese, dass es sich bei dem Campingplatz um den Hotelparkplatz handelt und dass dort nur vorangemeldete Gruppen von Perestroika-Tours übernachten dürfen - wir also nicht! Da es langsam dunkel wurde und wir allerhand Warnungen und Storys bzgl. der Kriminalität, insbesondere natürlich in den großen Städten - und Brest ist die zweitgrößte von Weißrussland - zu hören bekommen hatten, war ich etwas beunruhigt. Auch die Aussage der Frau, dass der nächste Campingplatz in Minsk sei (ca. 400 km entfernt) war keineswegs dazu geeignet, mich zu beruhigen. Also bot ich ihr erst 5 und dann 10 $US an, wenn sie uns auf dem Parkplatz übernachten ließe. Sie bot mir ein Zimmer für 46 $US an. Hier war also wohl nichts zu machen. Also zurück ins Auto und überlegen.
Ziemlich schnell war uns klar, dass wir es direkt bei dem Parkplatzwärter versuchen werden. Nachdem Andreas kurz mit ihm geredet hatte, bekamen wir einen Stellplatz in der Nähe des Eingangs des Parkplatzes zugewiesen. Allerdings waren wir uns nicht sicher, ob der Parkplatzwärter begriffen hatte, dass wir hier übernachten wollen, denn die Kommunikation gestaltete sich ziemlich schwierig, da er kein Deutsch und wir kein Russisch konnten. Die Parkgebühr betrug 3 $US, wir gaben ihm 5 $US, da wir ja auf sein Wohlwollen angewiesen waren.

Mit diesem Stellplatz waren wir allerdings nicht sonderlich glücklich, da er ziemlich exponiert war. Naja, besser als nichts. Wir haben dann erst mal angefangen zu vespern. Als dann irgendwann der Parkplatzwärter vorbei kam haben wir ihn nach einem Stellplatz im hinteren Bereich des Parkplatzes gefragt. Spätestens jetzt hatte er begriffen, was wir wollen und hat Andreas ein entsprechendes (überdachtes) Plätzchen gezeigt, für das es sogar eine separate Beleuchtung gab. Nachdem wir unser Abendessen beendet hatten, parkten wir also den VW-Bus um.

Dieser hintere Bereich des Parkplatzes hatte allerdings mehr den Charakter eines Schrottplatzes bzw. des Hofs einer Autowerkstatt. Es gab sogar eine Auffahrrampe. Auf diese wäre ich ja gerne hinauf gefahren um den VW-Bus mal von unten zu checken, aber leider stand da schon ein LKW drauf, und sonderlich stabil sah sie auch nicht mehr aus.

Naja, sonderlich idyllisch war unser Stellplatz nicht, zumal direkt nebenan eine Trafostation brummte und die (offenen) Abfallkübel des Hotels auch stark frequentiert wurden. Aber wir fühlten uns sicher und waren dabei auch noch mitten in Brest.


Auf dem 'Parkplatz' vom Hotel Intourist in Brest

Zwischenzeitlich war es dunkel geworden und wir dachten es wäre nun die richtige Zeit für einen Stadtbummel - schließlich war es ja Samstagabend. Auf unserem Weg aus dem Parkplatz brachten wir dem Parkplatzwärter noch eine Dose Bier vorbei. Er sagte auf Deutsch 'Danke' - wie multilingual doch weißrussische Parkplatzwärter sein können!
Andreas ging noch kurz ins Intourist-Hotel um einen Stadtplan von Brest zu holen - aber leider gab es keinen. 'Planlos' liefen wir dann die Prachtstraße in der sich das Hotel befand, zurück zu einer größeren Kreuzung, die uns bereits vorher beim Vorbeifahren aufgefallen war. Von dort wollten wir dann weiter ins Stadtzentrum. An der besagten Kreuzung waren ziemlich viele Menschen, wohl deshalb weil sich dort ein Landen befand, in dem u. a. auch Alkohol verkauft wurde - obwohl es schon etwa 22.00 Uhr war. In welche Richtung wir von der Kreuzung aus auch gingen, die Straßen wurden immer dunkler und menschenleerer. Das, was wir uns unter einem Stadtzentrum vorstellten, Fußgängerzone, Kneipen, Schaufenster etc. konnten wir nirgends finden. Folglich lag der Schluß nahe, dass wir noch zu weit von Zentrum weg sind! Obwohl an der Kreuzung eine Bushaltestelle war, an der auch gelegentlich Linienbusse und ziemlich häufig irgendwelche Kleinbusse (meist VW-Transporter T3) hielten, beschlossen wir mit einem Taxi zu fahren. Angeblich sollte Taxi fahren in Weißrussland billig sein und die Schilder an den Bussen konnten wir beim besten Willen nicht lesen. Das Anhalten eines Taxis gestaltete sich jedoch unerwartet schwierig bzw. gänzlich unmöglich. Auch die Kontaktaufnahme mit Jugendlichen gestaltete sich als schwierig. So gegen 23.00 Uhr beendeten wir dann dieses, uns inzwischen hoffnungslos erscheinende Unterfangen. Auf dem Rückweg zum Hotel kamen wir an einer größeren Ansammlung von Taxis vorbei - bei sovielen Taxifahrern wird doch wohl einer dabei sein, der etwas Englisch kann. Wir hatten Glück, es war schon der Zweite den wir fragten. Uns wurde allerdings bestätigt, dass hier das Zentrum sein! Es gäbe hier alles wichtige: Hotels, Diskos und Nightclubs! Auch gut, dann haben wir also das Zentrum von Brest gesehen und können uns jetzt beruhigt schlafen legen.

 

So. 16.07.2000: Stadtbesichtigung Brest und weiter in Richtung Minsk

Nach dem Frühstück machten wir uns mit dem VW-Bus auf zur Stadtbesichtigung. Es war Sonntagmorgen und die Straßen waren fast wie ausgestorben. Alte Bausubstanz fanden wir fast keine, lag wohl an den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, dafür aber jede Menge neuerer Gebäude, deren Fassaden teilweise eindrucksvoll gestaltet sind.


Gebäude in Brest

So gegen 11 Uhr kamen wir dann an der Festung an, die sich am Ende der Prachtstraße befindet in der auch das Intourist-Hotel ist. Die eigentliche Festung liegt auf einer Insel, eingebettet in einem parkähnlichen Gelände. Leider waren die ganzen Hinweisschilder nur in weißrussisch, so dass sie für uns nutzlos waren.


Plan der Festung von Brest

Im Inneren der Anlage gibt es neben allerlei Gebäuden ein großes Denkmal dessen zentrales Element ein männlicher (Beton)Kopf ist. Das Ganze ist eindrucksvoll inszeniert: Düstere Musik aus Lautsprechern, ein Gasflamme sowie eine ganze Reihe von Tafeln mit den Namen russischer Städte. Die genaue Bedeutung des Denkmals hat sich uns nicht erschlossen, aber vermutlich erinnert es an die Heldentaten der russischen Armee im 'großen Vaterländischen Krieg', wie der Zweite Weltkrieg dort genannt wird.


Denkmal in der Festungsanlage von Brest

Am Ende der Prachtstraße befindet sich der Hauteingang zur Festungsanlage, den wir allerdings nicht benutzt haben, da wir um einen Teil des Komplexes herumgefahren sind. Vom Haupteingang kommend, betritt man die Festung durch einen großen, aus Beton gegossenen Stern. Das Innere dieses Eingangsportals wir ebenfalls wieder mit düsterer Musik beschallt, die durch den hallenden Klang im Stern nochmals deutlich an Dramatik gewinnt. Neben dem 'Eingangsstern' verkaufte ein Maler Aquarelle - hauptsächlich Landschaftsbilder und diverse Motive der Festung.


Haupteingang in die Festungsanlage von Brest

In der Festung gab es auch eine kleinere Kirche. Von außen sah sie ziemlich restaurationsbedürftig aus, teilweise war sie auch schon eingerüstet. Innen war sie bereits schön restauriert. Als wir die Kirche betraten, fand dort gerade ein Hochzeit statt - wie wir später feststellten, nicht die einzige in dieser Kirche am heutigen Tage.


Kirche in der Festungsanlage von Brest

Wie es sich für eine richtige Festung gehört, gab es natürlich auch eine kleine Waffenausstellung. Vermutlich Geschütze, die im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee eingesetzt wurden.


Waffenausstellung in der Festungsanlage von Brest

Bevor wir den 'Festungspark' verließen, wollten wir noch auf die Toilette gehen. Also gingen wir in das Restaurant, das sich auf dem Gelände befand. Dort waren die Tafeln reichhaltig mit leckeren Vorspeisen gedeckt - vermutlich für die Hochzeitsgesellschaften. Die Toilette war schnell gefunden, der hygienische Zustand der Kloschüsseln waren auch ganz akzeptabel, allerdings gab es keine Klotüren. Da ich denke, dass man gewisse Dinge in Ruhe und am Besten alleine tun sollte, habe ich den Ort unverrichteter Ding wieder verlassen - Andreas war da allerdings "notgedrungen" anderer Meinung.

Gegen Mittag machten wir uns dann auf den Weg nach Minsk. Wir verließen Brest auf der Prachtstraße in östlicher Richtung, vorbei an den Gebäuden mit den schmucken Fassaden sowie einer Kirche mit einer eindrucksvollen Dackbedeckung.


Kirche in Brest

Die Straße wies gewisse Ähnlichkeiten mit einer Autobahn auf - es gab zwei Fahrspuren und eine Standspur in jede Fahrtrichtung und in der Mitte einen Grünstreifen. Die Verkehrsdichte war so, wie man sie sich bei uns auf einer Autobahn immer wünscht - fast keine Autos. Kurz nach dem Stadtrand von Minsk kam ein Mautstelle. Was mich dabei am meisten beeindruckte war, dass die Preise für die Straßenbenutzung in Weißrussischen Rubeln, DM und $US angegeben waren. Wir entschieden uns in $US zu bezahlen. Für PKW kostete es 3 $US, für Klein-LKW das Doppelte. Obwohl wir protestierten wurden wir mit unserem VW-Bus als Klein-LKW eingestuft . Als wir trotz Nachfragen keinen Beleg für unsere 6 $US bekommen haben, war uns auch klar, was da mit uns gespielt wurde. Aber warum einen Aufstand machen? 6 $US für die Strecke bis Minsk (knapp 400 km) ist auch noch ganz akzeptabel, verglichen mit den Autobahngebühren in Südeuropa.

Kurz nach der Mautstelle kam dann die erste Polizeikontrolle, bzw. Filze wie Andreas zu sagen pflegte. Nachdem der Polizist nur russisch sprach und wir nix verstanden, habe ich ihm mal meinen Internationalen Führerschein (der bereits seit mindestens 3 Jahren ungültig war) gezeigt. Das hat ihn allerdings weniger beeindruckt und er hat mich aufgefordert auszusteigen und mit in sein Häuschen zu kommen - ich machte mir schon Gedanken was das wohl jetzt gibt? Dort zeigte er mir dann einen Haftpflichtversicherungsschein. Aha, alles klar! Als ich ihm dann unseren zeigte war er zufrieden und wir durften weiter fahren.


Transitstrecke über Minsk nach Moskau

Die 'Autobahn' auf der wir fuhren war die Transitstrecke nach Moskau über die wir im Vorfeld bereits allerhand abenteuerliche Storys gehört hatten. So würden angeblich deutsche LKWs nur in Kolonnen und mit Geleitschutz fahren, damit keiner von der Mafia geklaut wird. Wir haben das nicht beobachtet - die wenigen LKWs die wir gesehen haben (es war allerdings auch Sonntag) waren alleine unterwegs. Am Anfang verlief die Fahrt ganz harmonisch. Das Wetter war gut (ca. 25 Grad Celsius und Sonnenschein) und es war nicht viel Verkehr - am meisten beeindruckten uns die Menschen, die häufig an der Straße standen um Früchte, meist Heidelbeeren, zu verkaufen sowie eine Kolonne von ca. 20 neuen Mähdreschern die wir überholten.


Mähdrescherkolone auf der 'Autobahn'

Irgendwann kam wieder eine Polizeikontrolle, aber nachdem wir jetzt wussten, dass wir den Haftpflichtversicherungsschein vorzeigen mußten, war das ziemlich schnell erledigt. Wohl alle 100-200 km sind diese Polizei-Posten anzutreffen. Nachdem wir nichts zu verbergen hatten und die Kontroll-Zeremonie auch erträglich war, hatten wir nichts gegen diese Demonstration von Recht und Ornung einzuwenden. Als dann wieder an eine solche Filze kamen, haben wir gleich wieder mit unserem Haftpflichtversicherungsschein gewunken - leider erfolglos. Nach einigen vergeblichen Versuche einer Konversation ging dann diesmal Andreas mit ins Polizeihäuschen. Was sie sehen wollten, war die Quittung für die Straßenbenutzungsgebühr, die wir aber nicht bekommen hatten. Nachdem die Polizisten aber wohl schon eine gewisse Ahnung hatten was da mit uns gespielt worden war, ließen sie uns ohne Probleme weiterfahren


On the road to the East

Als wir so durch die flache Landschaft nach Osten rollten wurde uns langsam klar, dass unser Benzin nicht bis nach Minsk reichen würde. Tanken entsprechend der russischen Gepflogenheiten war mir allerdings noch aus einem Urlaub im Baltikum (1992) in unangenehmer Erinnerung. Die Frage nach der richtigen Benzinsorte (A95, A92 und A76 - angeblich die Oktanzahl) läßt sich ja noch beantworten, aber das System des Tankens und Bezahlen ist wirklich gewöhnungsbedürftig: man bestellt und bezahlt eine bestimmte Menge Benzin die anschließend aus dem Zapfhahn kommt; und was man bezahlt hat bekommt man auch - auch wenn der Tank bereits vorher voll ist.

Die Tankstellendichte war ganz akzeptabel. Es gab etwa alle 20 - 50 km eine. Also noch kein Grund zur Panik. Die machte sich erst breit, als wir auch an der dritten Tankstelle kein Benzin bekamen: entweder gab es keines, und wenn es welches gab mußt man in Rubel bezahlen, aber die hatten wir nicht. Auf den Rat von diversen Leuten vertrauend hatten wir uns neben DM nur mit US-Dollar eingedeckt. Es konnte ja wirklich keiner wissen, dass kurz vor unserer Reise ein Gesetz zum "Schutz der nationalen Währung" erlassen worden ist. An der vierten Tankstelle sah zunächst alles ganz gut aus. Es gab eine Zapfsäule mit A95 die einen funktionsfähigen Eindruck machte und die Preise waren in Rubel, DM und $US angegeben. Doch unser Optimismus wurde schnell getrübt, als wir feststellten, dass die Tankstelle einen ziemlich geschlossenen Eindruck machte. Ich sah uns schon am Rande der ach so gefährlichen Autobahn übernachten. Naja, erst mal warten was sich an der Tankstelle so abspielt. Es fuhren zwei Autos mit weißrussischen Nummernschildern an die Zapfsäulen, gingen ans Kassenhäuschen und gewannen offensichtlich die gleiche Erkenntnis wie wir - nämlich dass die Tankstelle geschlossen ist. Am Kassenhäuschen hing eine Art Tankautomat für Karten (aber für welche?) und ein Telefon. Es war auch alles schön beschrieben - leider in kyrillisch und ohne Piktogramme. Also erst mal wieder in den VW-Bus setzen und strategische Überlegungen anstellen. Derweil wir so überlegten kam wieder ein Auto, ein größerer Geländewagen. Der Fahrer stieg aus, steckte den Zapfhahn in den Tankeinfüllstutzen und ging zum Kassenhäuschen schaute sich um und benutzte das dort angebrachte Telefon. Aha, also nix wie hin zu dem guten Mann! Als ich ihn auf Englisch ansprach hat er mir gleich in sehr gutem Deutsch geantwortet - hat er wohl an unserem D-Aufkleber und Nummernschild gesehen, dass wir Deutsche sind. Er sagte, dass es in 10 min Benzin geben würde. Was er genau mit dem Telefon gemacht hat habe ich ihn nicht gefragt - vermutlich die Kassiererin geweckt, die dann plötzlich im Kassenhäuschen war. Wir haben uns dann noch etwas unterhalten (woher, wohin etc.). Auf meine Feststellung, dass er sehr gut Deutsch spricht, entgegnete er 'er habe in Deutschland gedient'. Was er genau darunter versteht habe ich ihn nicht gefragt, aber für mich war die Sache klar: Ein KGB-Spitzel! Aber evtl. bin ich da auch zu ideologisch vorbehaltet - was mir allerdings insbesondere in dieser Situation auch egal war. Der gute Mann war auf alle Fälle sehr hilfsbereit und mit seiner Hilfe haben wir dann auch für 20 $US 40 Liter Benzin bekommen. Wie gesagt, was man bezahlt hat kriegt man auch - bei uns lief schätzungsweise ein Liter auf den Boden.


Die Tankstelle (an der es auch Benzin gab) auf dem Weg nach Minsk

So, jetzt stand also unserer weiteren Fahrt nach Minsk nichts mehr im Wege. Genau genommen wollten wir eigentlich heute gar nicht bis nach Minsk, sondern auf einen Campingplatz in der Nähe von Minsk. Die Adresse und einen Kartenausschnitt hatten wir ebenfalls von Perestroika-Tours zugefaxt bekommen. Am Telefon hatte man uns allerdings aber auch erzählt, dass der Campingplatz nur dann geöffnet wäre wenn Perestroika-Tours mit einer Reisegruppe da wäre - und dass sie Mitte Juli nicht da wären. Probieren wollten wir es allerdings auf jeden Fall, da wir langsam schon das Bedürfnis verspürten unsere Körper einmal (das erste Mal auf dieser Reise) einer gründlichen Reinigung zu unterziehen.

Mit dem Kartenausschnitt von Perestroika-Tours und unserem ADAC-Osteuropa-Straßenatlas - ich hätte nie gedacht, dass dieser in seiner Ideologie doch sehr beschränkte Verein überhaupt zu etwas nützlich sein kann - war es fast kein Problem die richtige Abzweigung zum Campingplatz zu finden (ca. 20 km vor Minsk links ab auf die P65 in Richtung Vilnius. Nach ca. 35 km kam dann in der Nähe von Dzjarzynsk ein Wegweiser zum Campingplatz. Noch ca. 1 km auf einer schmalen, aber geteerten Straße den Berg hoch, dann standen wir vor der Tür). Ich hatte bereits früher irgendwo gelesen, dass es sich bei dem Campingplatz um einen alten Militärstützpunkt handeln soll - dies wurde durch den Eingangsbereich bestätigt.


Eingang zum Campingplatz Perestroika bei Minsk

Wir hielten vor dem Eingangstor an und schauten durch einen Spalt rein. Die ganze Anlage machte einen sauberen, aber ziemlich verlassenen Eindruck. Also erst mal kräftig hupen (eine Klingel gab es nicht) und schauen ob sich etwas tut. Es tat sich etwas, erst kam ein kläffender Hund, dann ein kleiner Junge und schließlich ein Mann. Andreas machte ihm klar was wir wollen und ziemlich schnell öffnete sich wie von Geisterhand das schwere Stahltor. Nachdem uns der Campingplatzwärter eine Wiese gezeigt hatte auf der wir uns niederlassen konnten, hat er Andreas die Sanitäranlagen gezeigt. Alles war in einem unerwartet guten Zustand.
Wir waren tatsächlich die einzigen Gäste! Diese Tatsache und die massenhaft auftretenden Fliegen (darunter deutlich überwiegend Bremsen) auf unserer Wiese waren ausschlaggebend dafür, dass wir den Campingplatzwärter nach einem Stellplatz in der Nähe der Duschräume fragten. Da er damit einverstanden war, ließen wir uns dann dort häuslich nieder und machten uns an die Arbeit. Ich dachte, dass der VW-Bus, insbesondere der Motor, nach den bisherigen ca. 1.700 km, etwas Zuwendung verdient hatte. Außerdem hatte ich auch das Gefühl, dass heute die Öltemperatur etwas höher als sonst war. O. k. es war heute auch ziemlich warm gewesen, aber wenn sich die Öltemperatur 110 Grad Celsius nähert, neige ich doch dazu etwas langsamer zu fahren. Also schaute ich, ob irgend etwas im Ventilator hing, fand aber nichts, füllte Öl nach und was man eben sonst noch so macht.


VW-Bus Check auf dem Campingplatz Perestroika bei Minsk

Nach dem Auto kamen wir an die Reihe. Die sanitären Anlagen beeindruckten uns, alles war sehr sauber und bei den Duschen gab es sogar warmes Wasser - obwohl noch vor einer Stunde keine Besucher auf dem Campingplatz waren.

Nach dem Duschen kam das Abendessen - wir ließen es uns heute richtig gut gehen. Hatten wir ja auch verdient, nachdem wir fast am Ziel waren. Und die äußeren Randbedingungen waren auch ganz angenehm: Ein lauer Sommerabend, wir frisch geduscht und an unserem neuen Standplatz auch keine Insektenplage!


Abendessen auf dem Campingplatz Perestroika

Derweil wir so beim Abendessen waren, sammelte der Campingplatzwärter Pilze, die es in ungeheuren Mengen gab. Irgendwann kann er dann mit einer Preisliste (in Deutsch) für den Campingplatz vorbei. Andreas setzte sich mit dieser auseinander und gab ihm dann DM 10,- was ihn zufrieden stellte. Er fragte auch noch, wann wir morgen Früh weiter wollen, denn er musste ja das Tor öffnen. Wir sagten ihm 9.00 Uhr, wobei wir heute schon den Eindruck gewonnen hatten, dass in Weißrussland die Uhren anders gehen. Sie sind uns (eine Stunde) voraus - auch wenn man das intuitiv nicht erwarten würde, geographisch betrachtet ist es aber logisch, da wir nach Osten gefahren sind.


Der Chef vom Campingplatz Perestroika vor seinem Haus

Bevor es ganz dunkel wurde, machten wir noch einen kleinen Rundgang auf dem Platz. Unser besonderes Interesse galt einem Militärfahrzeug, das wir bei der Fahrt zu unserem ersten Stellplatz gesehen hatten.


Raketentransporter auf dem Campingplatz Perestroika

Zunächst machte das Gefährt auf uns einen bedrohlichen Eindruck und war Anlaß zu Diskussionen darüber, ob der Platz wohl auch noch militärisch genutzt wird.
Als wir das Teil genauer inspizierten stellten wir fest, dass es sich wohl um einen Raketentransporter handelt. Als Jemand, der in der Zeit des NATO-Doppelbeschlusses und der Hochphase der Friedensbewegung - man erinnere sich nur an die Demo 1982 mit 300.000 Teilnehmern in Bonn - seine ersten politischen Erfahrungen gesammelt hat, denkt man da natürlich sofort an russische SS20 Raketen. Naja, jetzt war das Teil auf alle Fälle ganz harmlos, statt der Raketen waren nun Sitzbänke montiert und auf der Seite stand nicht der Name irgendeiner Einheit der russischen Armee sondern 'Campingplatz Perestroika'.

 

Mo. 17.07.2000: Minsk

Als wir gerade in der Endphase des Frühstücks waren, fing es an zu regnen - und wie wir heute noch feststellen sollten, hörte es auch so schnell nicht mehr damit auf. Pünktlich um 9.00 Uhr waren wir startklar und pünktlich um 9.00 Uhr kam auch der Campingplatzwärter um uns das Tor zu öffnen.
Bis Minsk waren es ca. noch 30 km. Die Stadt, der wir uns aus westlicher Richtung näherten machte einen ziemlich trostlosen Eindruck auf uns der durch den Regen mit Sicherheit verstärkt, aber keineswegs iniziiert wurde. Zunächst fuhren wir durch die Randgebiete bzw. Vororte - Ansammlungen von in plattenbauweise erstellten Hochhäusern, deren Fassade deutlich anzusehen war, dass eine Renovierung längst überfällig ist. In einem ähnlich desolaten Zustand waren hier die Straßen. Die Hauptstraßen waren, wie wir das bereits aus Minsk kannten, für die herrschende Verkehrsdichte ziemlich üppig dimensioniert. Im Gegensatz zu den Nebenstraßen waren die Hauptstraßen geteert worden - doch dies war wohl schon ziemlich lange her und so gab es jede Menge Schlaglöcher. Prinzipiell stellen diese natürlich kein grundsätzliches Problem dar, man kann sie ja umfahren wenn man sie sieht. Und hier beginnt das Problem: Durch den starken Regen und alle den Schmutz, der von den ungeteerten Nebenstraßen bzw. den Flächen, die bei uns Grünflächen sind, bei denen es sich hier aber eher um Brachflächen handelte, auf die Straße geschwemmt wurde, verwandelten sich selbst die Hauptstraßen in Schlammpisten bzw. in eine Seenlandschaft. So fuhren wir also weiter Richtung Zentrum, immer in der Hoffnung, dass sich unter den großen Pfützen nicht ebenso große Schlaglöcher befinden. Wir hatten es sicherlich sowohl der relativ großen Bodenfreiheit des VW-Busses als auch einem gewissen Quantum Glück zu verdanken, dass wir das Zentrum unbeschadet erreichten. Doch was heißt hier Zentrum?! Wir hatte ja bis jetzt noch keinen Stadtplan von Minsk, so dass wir eigentlich gar nicht genau wußten wo wir sind. Doch diese Kreuzung sah schon ziemlich nach Zentrum aus. Links gab es einen McDonalds und direkt vor uns verlief eine ziemlich große Straße. Eine dieser typischen breiten Prachtstraßen mit verschnörkelten Straßenlaternen und allerhand imposanter Gebäude mit schmucker Fassade. Mehr durch den Verkehrsfluß getrieben als auf rationalen Überlegungen basierend, entschieden wir uns dafür, nach links abzubiegen und diese Prachtstraße entlang zu fahren. Nach Sightseeing war uns gerade nicht der Sinn, denn es regnete immer noch ziemlich stark und außerdem hatten wir heute einen geschäftlichen Termin. Wir wollten Alexander, den weißrussischen Geschäftspartner von Andreas, besuchen - doch hierzu mußten wir erst einmal sein Büro finden.

Dazu wandten wir uns an einen Taxifahrer der einen Audi 80 fuhr. Andreas dachte, wenn er schon ein deutsches Auto fährt, wird er sicher auch ein paar Brocken Deutsch können - doch weit gefehlt. Aber dennoch hatten wir mit unserem Taxifahrer eine gute Wahl getroffen. Er begriff ziemlich bald, dass wir nicht mitfahren wollen, sondern dass er vorausfahren sollte um uns den Weg zu zeigen. Da wir zufällig schon ziemlich in der Nähe des Büros von Alex waren, hatten wir die entsprechende Straße auch bald erreicht. Jedoch war das Auffinden des entsprechenden Gebäudes etwas problematisch, da von der eigentlichen Straße ziemlich viele Stichstraßen wegführten, die ebenfalls den Namen der eigentlichen Straße trugen. Doch nach zweimaligem Fragen führte uns der Taxifahrer direkt vor das Haus mit der Nummer 8.

Wir sahen, dass der Taxifahrer einen Stadtplan hatte und wir dachten, es wäre gut wenn auch wir einen hätten - also fragten wir ob er den Plan verkaufen würden. Er wollte 5 $US dafür, ziemlich viel für einen abgegriffenen Stadtplan wie man ihn in Deutschland bei jeder Touristeninformation bzw. in jedem Hotel einer größeren Stadt bekommt. Aber nachdem wir bereits in Brest einschlägige Erfahrungen mit der Verfügbarkeit von Stadtplänen an Hotelrezeptionen gewonnen hatten, entschlossen wir uns ihm den Stadtplan für 5 $US abzukaufen - obwohl das teuer ist, insbesondere auch in Relation zu den 2 $US, die wir für die 30 min in denen wir den Taxifahrer in Anspruch genommen hatten, bezahlten.


Das Haus von Alex in Minsk

So, nun konnte also der geschäftliche Teil unserer Reise beginnen. Der Weg in ein Haus führt bekantlich durch den Eingang - doch den muss man erst einmal finden. Nachdem er genau auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes war, mußten wir um das Haus herumlaufen bzw. durch den Matsch herum waten - denn es regnete noch immer ziemlich heftig. Der Hauseingang und das besondere Flair des Treppenhauses erinnerte mich an die Abbruchhäuser in denen einige meiner Kommilitonen während des Studiums hausten. Nach zweimal fragen waren wir dann auch bereits in den richtigen Räumen in der zweiten Etage. Wir wurden von Alex ganz freundlich in seinem Büro empfangen. Der Raum war in einem akzeptablen Zustand und ordentlich möbliert. Nichts besonders neues oder pompöses, ein Büro zum Arbeiten eben. Auf dem Schreibtisch standen zwei Telefone, aber kein Computer. Im Allgemeinen vermeide ich es Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen, aber da ich mit Alex bisher persönlich nichts zu tun hatte war es jetzt an der Zeit mir ein (Vor)urteil zu bilden. Im schlimmsten Fall hatte ich einen dicken Mann mit schwarzem Anzug, weißem Hemd und ggf. noch einer goldenen Uhr erwartet - ein richtiger Bonze eben. Doch Alex war fast das genaue Gegenteil: schlank, unrasiert und mit einem karierten Hemd und einer Jeansjacke bekleidet. Weiterhin zeichnete er sich durch excellentes Englisch aus.

Die nächsten 3 Stunden vergingen damit, dass uns Alex allerhand über die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Situation im Allgemeinen - hierunter ist Weißrussland zu verstehen - und im Besonderen, also ihn betreffend, erzählte. Am Anfang, beim allgemeinen Teil, war es ja noch ganz interessant Alex zuzuhören. Als er jedoch anfing in epischer Breite über die kleinsten Details seines Business zu erzählen war die Grenze des "small talks" überschritten und ich begann mich zu langweilen und außerdem fiel es mir auch schwer all diese Dinge zu glauben. So erzählte er, um nur ein Beispiel zu nennen, dass der Staat die Miete für sein Büro vor drei Monaten urplötzlich um das Fünffache erhöht hat. Naja, bevor Alex mit dem Business anfing, war er an der Uni in Minsk Professor für Mathematik - und diese Spezis tendiert wohl prinzipiell schon mal dazu Monologe zu halten und wenn es sich dann noch um Mathematiker handelt ist es auch nicht verwunderlich, dass die Einleitung zu seinen Geschichten meist deutlich länger ist als die eigentliche Story.

Da ich mich langweilte und außerdem tierisch dringend auf eine Toilette mußte - der Frühstückskaffee drückte - beschloss ich die nächste halbwegs passende Gelegenheit wahrzunehmen, um mich auszuklinken. Ich hatte auch kein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken Andreas in dieser Situation alleine zu lassen, den er machte ja schließlich eine Geschäftsreise und ich war nur zum Vergnügen hier - und für mich war das jetzt eben kein Vergnügen mehr. Eine Gelegenheit das Wort zu ergreifen bot sich etwa jede Stunde wenn der Wortschwall von Alex zufällig ins Stocken geriet. Allerdings gelang es mir nicht so richtig meine Absicht zu artikulieren, so dass ich nach vier Stunden immer noch mit Andreas bei Alex im Büro saß! Es war nun etwa 13.00 Uhr und Alex musste wohl heute wirklich noch etwas arbeiten und außerdem wollte er, den uns eigentlich bereits für heute versprochenen Besuch einer Fabrik für Musikinstrumente, nun für morgen organisieren. Alex beauftragte daher Juri, einen seiner etwa 10 Angestellten mit uns zum Mittagessen zu gehen.
Juri führe uns in ein Restaurant, das sich im Zentrum von Minsk, in der Nähe des Stadions befand. Es war ein Restaurant der gehobeneren Preisklasse, in einem eingeschossigen runden Gebäude das von einer großen grünen Wiese und vielen Parkplätzen umgeben war. Die Ganze war wohl erst vor ein paar Jahren extra für diesen Zweck gebaut worden. Da wir ein schlechtes Gewissen hatten, uns von Leuten einladen zu lassen, die in einem Land leben in dem eine unübersehbare Armut herrscht, sagten wir, dass wir keinen großen Hunger hätten und nur eine kleine nationale Spezialität essen wollten. Da es die Speisekarte nur in weißrussischer Sprache gab, übernahm es Juri für uns etwas landestypisches zu bestellen. Zuerst wurde ein Bier serviert, das auch hier in dieser Gaststätte gebraut wird. Es ist keineswegs so, dass ich den Konsum von Bier grundsätzlich ablehne, es ist nur ein Frage der Tageszeit. Abends kann ich einem oder mehreren Gläsern Bier durchaus positive Aspekte abgewinnen, Mittags entfaltet es jedoch bei mir die Wirkung von Schlafmittel. Aber da wir nun schon mal eingeladen wurden und ich heute Nachmittag auch noch nichts Konkretes vorhatte, ich wusste nur was ich nicht wollte - zurück zu Alex ins Büro - ließen wir uns das Bier schmecken. Zum Essen gab es erst einen guten frischen Salat bestehend aus Gurken, Tomaten, etc. Als Hauptgericht bekam Andreas eine Art Pfannkuchen mit irgendeiner Paste (was war es wohl?) und ich Kartoffelpuffer mit rosa Fischeiern - Gourmet Andreas meinte es wäre Kaviar vom Lachs. Für mich erwies sich das Ganze als gelungene, wohlschmeckende Kombination. Zusätzlich zur Nahrungsaufnahme hatte das Mittagessen noch einen zweiten positiven Aspekt: Die Konversation mit Juri. Er ist etwa 25 Jahre alt und hatte in Minsk Betriebswirtschaft studiert. Seit etwa einen Jahr arbeitet er bei Alex, worüber er sehr glücklich ist. Maßgeblich hierfür ist unter anderem sein Verdient der wohl deutlich über den 20 - 30 $US liegt, die man sonst monatlich in Weißrussland verdient. Juri erzählte uns auch eine Menge über die Situation der Jugend und ihrer Meinung zur Politik. Hier die wichtigsten Aussagen von Juri kurz zusammengefasst: Im Gegensatz zur älteren Generation sind die Jugendlichen über die Veränderungen die in den letzten 10 Jahren stattgefunden haben glücklich, sie haben Angst davor, dass sich die Dinge wieder rückwärts entwickeln, wofür es (laut Juri) bereits wieder erste Anzeichen gibt.
In Weißrussland gibt es fast alles zu kaufen, was es in Westeuropa auch gibt. Die Preise sind auch etwa entsprechend (z. B. Computer mit Pentium III Prozessor für 1000 $US). Zu beachten ist allerdings, dass das Verdienstniveau deutlich niedriger ist und die Dinge damit schon eine gewisse Dimension der Unerreichbarkeit gewinnen.
Wenn man unter Drogen die typischen Stoffe wie Extacy, Heroin etc. versteht (und nicht Alkohol und Nikotin) so gibt es bei den Jugendlichen ein 'kleines' Drogenproblem, von dem allerdings vor allem die Kinder reicherer Eltern betroffen sind.
Weiterhin erzählte uns Juri, dass es in Weißrussland eigentlich kein Problem mit der Kriminalität gibt. Ich kann es kaum glauben, wo doch in fast jedem Auto eine Alarmanlage installiert ist.
Und noch ein interessantes Detail, das wir von Juri lernten: Zwischen der russischen und der weißrussischen Sprache bestehen deutliche Unterschiede. Die Weißrussen haben 7 Zeichen mehr. Juri meint, man können sich gegenseitig verstehen, aber es wären eben schon verschiedene Sprachen. Ich stelle mir das im schlimmsten Fall so ausgeprägt vor, wie zwischen der holländischen und deutschen Sprache.

Nach dem Essen fuhren wir mit Juri zurück zum Büro von Alex. Ich zog mich in den VW-Bus zurück und widmete mich dem Mittagsschlaf sowie dem Schreiben dieses Reiseberichtes. Andreas ging zu Alex ins Büro und machte Business. Ich verwende übrigens diesen Anglizismus hier deshalb so häufig, weil er auch in den Erzählungen unserer weißrussischen Geschäftsfreunde kontinuierlich präsent war - es verging fast keine Minute, ohne dass Alex oder Juri von irgendeinem Business erzählten, dass sie oder irgend jemand mit jemandem gemacht hatte.

So gegen 17.00 Uhr - ich hatte meinen Mittagsschlaf beendet und war gerade dabei den Reisebericht zu schreiben - kam dann Andreas mit Juri. Sie hatten auch schon einen Plan für den Abend: Wir sollten den VW-Bus auf einen bewachten Parkplatz bringen, dann mit ihnen Essen gehen und anschließend in einem Hotel übernachten. Ich fand den Plan allerdings in keinster Weise akzeptabel - ich hatte weniger Angst um unser Auto sondern mehr vor dem Ungeziefer und dem ganzen Schmutz den ich in irgendeinem bezahlbaren Hotel erwartete. Auf meinen Widerspruch und den Vorschlag, nach dem Abendessen wieder zu 'unserem' Campingplatz 'Perestroika' zurückzufahren entgegnete mir Juri, dass es in Russland üblich wäre zum Essen reichlich Alkohol zu trinken und dass man danach nicht mehr Auto fahren dürfte (0,0 Promillegrenze). Nach längerer Diskussion einigten wir uns darauf, dass uns Juri zu einem bewachten Parkplatz in der Nähe des Restaurants führt auf dem wir auch die Nacht im VW-Bus verbringen konnten.

Also fuhren wir nun Juri hinterher zu dem Parkplatz eines Sportzentrums im Westen von Minsk. Seine Verhandlungen mit dem Parkplatzwärter waren ziemlich schnell erfolgreich und für 5 $US durften wir dort übernachten. Nachdem wir den VW-Bus zwischen allerhand deutschen Autos der Oberklasse geparkt hatten fuhren wir mit Juri zum Restaurant. Obwohl es in der Zwischenzeit aufgehört hatte zu regnen, war Juri nicht zu einer Stadtbesichtigung zu bewegen - deshalb gibt es hier auch keine Bilder von Minsk. Das Restaurant lag im einzigen Bereich von Minsk, in dem noch ein paar alte Häuser stehen - alle anderen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Wiederaufbau der Stadt wurde - wie stolz in einem Buch über Minsk geschrieben steht - am Reißbrett geplant. In der Stadt gibt es also weder gewachsene Strukturen noch einen historischen Stadtkern. Das Restaurant selbst befand sich in einem neueren Gebäude und war modern eingerichtet - eben von der Art, wie man es in jeder westeuropäischen Stadt auch finden kann. Am Eingang standen zwei Türsteher, die uns aber unbehelligt eintreten ließen. Obwohl es noch ziemlich früh am Abend war, so gegen 18.00 Uhr, waren im Restaurant die meisten Tische bereits besetzt, wobei der hohe Frauenanteil auffallend war. An unserem Nachbartisch ließen sich sechs Frauen und ein Mann das Essen und insbesondere den Wodka (flaschenweise bzw. karaffenweise) schmecken.

Wir warteten mit dem Essen bis auch Alex eintraf, der zuvor noch ein Geschenk für seine Frau kaufen wollte bzw. musste. Als Alex kam hatte er nicht nur ein Geschenk für sein Frau sondern auch für uns: Einen Likör und ein Buch über Minsk. Kurz nach der Ankunft von Alex verabschiedete sich Juri, da er zu seinem Nachwuchs nach Hause wollte - so ist das eben bei den jungen Vätern.

Die Bestellung des Essens überließen wir Alex. Zusätzlich zum Essen bestellte er auch eine Karaffe mit Wodka; bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Trinksprüche die er vor jedem kollektiven Ansetzen der Wodkagläser von sich gab.

Das Essen begann mit einer Vorspeisenplatte die im Wesentlichen aus frischen Salaten und einem 'Fischpüree' bestand. Im Anschluß daran kam das landestypische Hauptgericht: Ein runder Tontopf mit halbkugelförmigem Deckel, in dem sich eine wohlschmeckende Mischung aus Brot, Fleisch und Pilzen befand. Schon die äußere Form des Tontopfes weckte bei mir Assoziationen an einen Kernreaktor - ich kann die Sache mit Tschernobyl eben nicht vergessen.

So gegen 23:00 Uhr, der Alkohol hatte auch der eigentlich guten Englischen Aussprache von Alex merklich zugesetzt, war es an der Zeit den Restaurantbesuch zu beenden. Doch vorher musste noch bezahlt werden, was Andreas übernahm. Mit 45 $US entsprach auch der Preis westlichen Maßstäben. Andreas gab dem Kellner 50 $US und wir bekamen den Gegenwert von 5 $US in weißrussischer Währung zurück. Wunderbar, jetzt hatten wir 500000 weißrussische Rubel - fast wie in Italien!

Zu Fuß, das erste Stück des Wegs gemeinsam mit Alex, gingen wir zum Parkplatz des Sportzentrums auf dem unser VW-Bus stand. Ziemlich erschöpft legten wir uns dann so gegen 23:30 Uhr in unsere Schlafsäcke.

 

Di. 18.07.2000: Die 'Musikfabrik'

Heute war für Andreas ein wichtiger Tag, denn es stand der Besuch der Fabrik für Musikinstrumente an, der ursächliche Grund dieser Reise. Die Abfahrt war für 9.00 Uhr bei Alex am Büro angesetzt. Das passte auch ganz gut, denn bis 8:30 mussten wir den Parkplatz verlassen (vermutlich wechselten dann die Parkplatzwärter). Nachdem wir am Abend zuvor reichlich und gut gegessen hatten, konnte der feste Teil des Frühstücks entfallen, so dass wir uns auf einen Kaffee beschränkten. Mir unserem für 5 $US erworbenen Stadtplan war es kein Problem zum Büro von Alex zu finden, und pünktlich um 9.00 Uhr waren wir da. Außer uns war auch noch ein blauer 190er Mercedes mit Chauffeur da - nur Alex fehlt noch. Doch der kam, was ich nicht erwartet hatte, bereits kurz nach 9.00 Uhr mit seinem roten Jetta an.
Zu viert (incl. Chauffeur) fuhren wir nun auf einer guten Straße Richtung Osten - wahrscheinlich war es die Transitstrecke nach Moskau. Kurz nachdem wir Minsk verlassen hatten begann es wieder zu regnen. Nach 80 km waren wir in dem Ort, in dem sich die Fabrik für die Musikinstrumente befindet. Zuerst mussten wir durch Pfützen und Schlamm zum Eingang waten. Das Passieren der Zugangskontrolle war dank Alex, der unseren Besuch angemeldet hatte, kein Problem und wir kamen ziemlich schnell in das Vorzimmer des Direktors. Die Wände der Flure waren mit Holz verkleidet, das teilweise mit liebevollen Einlegearbeiten verziert war. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Ganze früher einmal sehr ansprechend ausgesehen haben mag. Jetzt war es allerdings ziemlich schmutzig und trostlos, eben von den Jahren gezeichnet - die ganze Fabrik verströmte ein Flair das charakteristisch ist für Gebäude, die in den 50er Jahren gebaut und dann sich selbst überlassen wurden.

Wir warten ca. 10 min, dann durften wir, durch zwei schallgeschützte Türen in das Büro des Direktors eintreten. Das Büro bestand aus einem langen, schlanken Raum der ebenfalls vollständig mit Holz verkleidet war. Auf einer Seite des Raumes stand ein mindestens 10 m langer Tisch, an dem wohl von Zeit zu Zeit die Funktionäre tagten und in selbstgefälliger Runde ruhmreichere Tage feierten. An dem der Eingangstür gegenüberliegenden Ende des Raumes thronte der Schreibtisch des Direktors, davor ein kleiner Tisch an dem uns Plätze zugewiesen wurden.


Im Büro des Direktors (Alex (der mit der Jeansjacke) und ich)

Rechtwinkelig zum Schreibtisch des Direktors stand ein kleinerer Tisch, auf dem sich die Kommunikationszentrale, bestehend aus mehreren Telefonen sowie die Zentrale einer Sprechanlage befanden. Vermutlich war das die technologische Infrastruktur die ein Direktor braucht um ein derartiges Imperium zu koordinieren. Und was in den 50 Jahren gut war - denn danach sah die 'Zentraleinheit' der Sprechanlage mit ihren vielen Knöpfen und ihrer Wählscheibe aus - hatte zumindest in Weißrussland auch im Zeitalter der Digitaltechnik noch Bestand.


Die 'Kommunikationszentrale' im Büro des Direktors

Der Direktor machte auf mich einen etwas nervösen, aber insgesamt positiven Eindruck. Allerdings habe ich eine gewisse charismatische Ausstrahlung die ich bei Personen in derart privilegierten Stellungen eigentlich immer erwarte, nicht feststellen können. Da er weder englisch noch deutsch sprach, konnten wir uns nicht direkt mit ihm unterhalten. Alex musste daher als Dolmetscher fungieren - vielleicht war das auch mit ein Grund, dass wir nur kurze Zeit (der pflichtgemäße Small Talk...) irgendwelche Belanglosigkeiten erörterten und dann ziemlich schnell zur Sache kamen.

Wie es sich für einen richtigen Direktor gehört, hatte er von der eigentlichen Sache keine Ahnung. Dies ist ja aber auch nicht weiter schlimm, denn dafür hat man ja seine Mitarbeiter. Wir erwarteten zur weiteren Verhandlung den "Technical Engineer". Unerwarteterweise erschien dann im Büro eine Frau, etwa zwischen 40 und 50 Jahre alt, die in einen blauen Arbeitsmantel gekleidet war. Sie wurde uns als die für das Projekt verantwortliche Ingenieurin vorgestellt. Mit ihr konnten wir bzw. Alex jetzt die Details der konstruktiven Ausführung für die Fertigung der Muster erörtern - der Muster, die Andreas eigentlich heute besichtigen wollte um dann die Produktion für die gesamte Serie freizugeben.

Nachdem die technischen Details geklärt waren, wurden wir von der Ingenieurin durch die Produktion geführt. Es war sehr wohl in unserem Interesse, die Produktion anzuschauen. Allerdings hätten wir wohl jede Menge Zeit sparen können, wenn die Frau Ingenieurin erst mal ihren Mitarbeiter in der Musterwerkstatt instruiert hätte - denn schließlich wollte Andreas heute noch zumindest ein fertiges Muster sehen. Aber in Russland spielt Zeit offensichtlich keine Rolle, denn auch ein diskreter Hinweis von Alex blieb an dieser Stelle ohne Wirkung.

Die Räumlichkeiten und die Produktionsmaschinen stammten vermutlich aus den Gründungsjahren der Fabrik und waren daher so um die 50 Jahre alt. Naja, damals wurden eben auch Bohr- oder Schleifmaschinen für die Holzindustrie nach den Grundsätzen des Schwermaschinenbaus konstruiert, und wenn diese Maschinen daher noch heute ihren Dienst verrichten, so ist das zumindest ein Beitrag zur Ressourcenschonung. Im Gegensatz zu irgendwelchen Produktionsmaschinen ist eine Alter von 50 Jahren für Gebäude eigentlich nichts Besonderes. Wenn allerdings in dieser Zeit (oder zumindest in den letzten Dekaden) keinerlei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten mehr vorgenommen werden, macht das Ganze schon einen ziemlich verwahrlosten und heruntergekommenen Eindruck.

Ganz im Gegensatz zu dieser tristen Atmosphäre die durch die alten Maschinen und baufälligen Gebäude geprägt wurde, stand die optische Erscheinung vieler in der Produktion tätiger Frauen. Obwohl sie als Maschinenarbeiterinnen nur irgendwelche stupiden Tätigkeiten verrichteten, waren viele von ihnen elegant gekleidet und teilweise sogar geschminkt. Es war auffallend, dass der Frauenanteil (zumindest in dem Teil der Fertigung den wir zu sehen bekamen) bei schätzungsweise 80 - 90 % lag.

Bei der ca. eine Stunde dauernden Besichtigung wurden wir mit allerhand kuriosen Maschinen und Szenen konfrontiert. Erwähnt sei an dieser Stelle nur die 'Fräsmaschine' die aus einem gewöhnlichen Elektromotor bestand, auf dessen Welle ein Fräser rotierte und der durch zwei am Gehäuse befestigte Griffe geführt werden konnte.
Andreas war insbesondere von dem Klavierstimmer beeindruckt: Dieser ging in aller Gemütsruhe seiner Arbeit nach, obwohl neben ihm eine Arbeiterin mit einer pressluftgetriebenen Poliermaschine Klavierdeckel polierte und dabei einen ohrenbetäubenden Lärm verbreitete. Damit nicht genug, war unweit eine weitere Person mit einem Staubsauger oder etwas ähnlichem - aber mindestens genauso laut - zu Gange - aber ich wusste schon immer, dass Musiker eben Künstler sind!

 

So gegen 12:00 Uhr waren wir mit unserer Fabrikbesichtigung fertig. Wir dachten, dass es jetzt eigentlich die richtige Zeit ist um zum Mittagessen eingeladen zu werden. Aber statt zum Mittagessen wurden wir ins Museum der Fabrik eingeladen. Im Eingangsbereich des Museums befand sich ein kleiner Laden – so eine Art Fabrikverkauf - in dem Möbel zum Verkauf angeboten wurden. Auf unsere Frage, was denn diese Möbel mit der 'Musikfabrik' zu tun hätten, erklärte uns 'unsere' Ingenieurin, dass man in schlechten Zeiten nur die Dinge verkaufen kann, die die Leute wirklich brauchen - und das sind jetzt wohl Regale und Tische statt Gitarren und Klavieren.

Das Museum verbreitete etwa den gleichen nostalgischen Charme wie die Fabrik - aber bei einem Museum mag das ja eine gewisse Berechtigung haben. Es waren allerhand Musikinstrumente ausgestellt, die die Fabrik wohl mal irgendwann produziert hat. Das Spektrum reichte von einfachen Xylophonen über Gitarren bis hin zu Klavieren. Zusätzlich waren auch jede Menge von Bilder ausgestellt. Die meisten von ihnen zeigten den Messestand der Firma auf irgendwelchen Musikmessen - darunter auch Frankfurt und New York, wie man uns stolz erzählte.

Im ganzen Museum selbst war es ziemlich staubig, düster und modrig. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass die Räume nicht beleuchtet waren und durch die nur sehr kleinen Fenster bei dem tristen Regenwetter nur wenig Licht nach innen dringen konnte. Warum die Beleuchtung nicht eingeschaltet wurde, konnten wir nicht abschließend klären. Wir vermuteten jedoch, dass in der Elektrik wohl ein Kurzschluss vorhanden ist, denn im Bereich der Decke, insbesondere in den Ecken wo auch die Verteilerdosen installiert sind, drang ziemlich viel Feuchtigkeit ein und es hatte sich auch schon jede Menge schwarz-grüner Schimmel gebildet.

Die Besichtigung des Museums war nach ca. einer Stunde beendet. Alex meinte, er müsse noch kurz einen Besuch bei einer Fabrik in der Nachbarschaft machen, um sich dort irgendwelche wichtigen Papiere unterschreiben zu lassen. Er bot uns an mitzukommen. Wir dachten, da gehen wir jetzt mit, denn wenn wir nun weg sind, dann hat die Ingenieurin endlich mal Zeit sich um ihre eigentliche Aufgabe zu kümmern - die Fertigstellung der Muster.

Also fuhren wir mit Alex und seinem Chauffeur im blauen Daimler zu einer Sperrholzfabrik. Diese befand sich an der gleichen Straße in ca. 500 Metern Entfernung. Der Schmutz auf der Straße, die Pfützen auf dem Parkplatz und die baufälligen, verwahrlosten Gebäude der Fabrik, alles war genauso wie bei 'unserer Musikfabrik' . So, oder noch schlimmer, wird man es vermutlich noch beliebig oft an anderen Stellen auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion antreffen können.
Als 'Anhängsel' von Alex kamen wir problemlos durch die Zugangskontrollen der Fabrik. Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude traf Alex noch einen Bekannten - für uns ein Zeichen, dass er wohl wirklich öfters hier ist um geschäftliche Dinge zu erledigen.
Im Verwaltungsgebäude warteten wir in einem Büro, das wohl eine Art Vorzimmer war. Nachdem Alex seine Unterschriften hatte, verließen wir die Fabrik wieder ziemlich schnell - zu unserem Leidwesen ohne zuvor die Produktion besichtigt zu haben.

 

Als wir wieder in der 'Musikfabrik' waren, wurden wir von der Ingenieurin abgeholt und in eine Werkstatt geführt. Dort war ein ca. 30-jähriger, ziemlich schmuddliger Mann dabei die Muster zu bearbeiten. Hierbei war er allerdings noch nicht sehr weit gekommen und setzte auch nicht das um, was wir vormittags im Büro des Direktors besprochen hatten. Dies ist allerdings auch nicht verwunderlich wenn man bedenkt, dass diese technischen Informationen mündlich über drei Personen transferiert wurden, bis sie endlich bei demjenigen angelangt waren, der die eigentlichen Arbeiten zu erledigen hatte - aber so ist das eben bei streng hierarchisch strukturierten Betrieben.
Für den langsamen Arbeitsfortschritt gab es aber auch noch eine Reihe anderer Gründe. Zum Einen regnete es noch immer - und da sich die Werkstatt im Obergeschoss unmittelbar unter dem undichten Dach befindet, tropft an einigen Stelle das Wasser von der Decke. Diese führt nicht nur dazu, dass sich an der Decke und im oberen Bereich der Wände schon jede Menge Schimmel gebildet hatte, sondern dieser Umstand nimmt auch einen gewissen Teil der Zeit der Arbeiter in Anspruch. Denn um zu verhindern, dass die Wassertropfen auf das Holz treffen, das irgendwann einmal bearbeitet werden soll, haben die Arbeiter eindrucksvolle Konstruktionen aus Blechen und Kübeln installiert, mit denen sie die Wassertropfen von der Decke auffangen und sammeln. Dieses System muss natürlich den individuellen Gegebenheiten (Tropfstellen und Tropfenintensität) angepasst werden und außerdem müssen die Kübel in denen ich das Wasser - genauer gesagt eine schwarze, stinkende Brühe - sammelt gelegentlich auch ausgeleert werden.

Der zweite Grund, für den langsamen Fortschritt der Arbeiten lag darin, dass man zum effektiven Arbeiten geeignete Werkzeuge braucht. Und an diesen Werkzeugen, insbesondere wenn es sich dabei um kleinere handelt, herrscht ein eklatanter Mangel. Über die Ursachen konnten wir nur mutmaßen: Vermutlich liegt es daran, dass man nur kleine Dinge unbehelligt mit nach Hause nehmen kann. Da also offensichtlich weder eine Handsäge noch eine Raspel oder Feile vorhanden war, wurde eine Holzleiste mit einem Querschnitt von 5 x 8 mm an einer Kreissäge abgesägt und angefaßt, deren Sägeblatt einen Durchmesser von mindesten einem Meter hatte.


In der Werkstatt wo die Muster hergestellt werden

Nachdem wir in der Werkstatt mindestens eine Stunde lang die konstruktiven Ausführungen irgendwelcher Details diskutiert hatten fand man schließlich einen Konsens. Ausschlaggebend hierfür war allerdings weniger das Gefühl nun eine optimale Lösung gefunden zu haben sondern vielmehr die Ungeduld von Andreas, dem das Ganze langsam ziemlich hoffnungslos erschien.
Doch damit war die Sache keineswegs erledigt, denn nun ging es daran die Ergebnisse zu dokumentieren. Hierzu gingen wir mit der Ingenieurin in das Konstruktionsbüro. Dieses fügte sich harmonisch in den 50er-Jahre Stiel der Fabrik ein: Also große Zeichenbretter statt Bildschirmen und Computern. Im Konstruktionsbüro waren etwa sieben Arbeitsplätze vorhanden, wobei nur an dreien von Frauen gearbeitet wurde. Auf einem der Zeichenbretter war auch eine Konstruktionszeichnung 'unseres' Musikinstrumentes zu sehen.


Technische Zeichnung von unserem Musikinstrument

Die nächste Stunde wurde dann von 'unserer' Ingenieurin dafür investiert, ihren 'Konstrukteusen' (diese Form für das Femininum habe ich bewußt gewählt, da mich ihre Kompetenz an die erinnerte, die ich aufgrund meiner - unbegründeten - Vorurteile im Allgemeinen von irgendwelchen Friseusen erwarte) über die genauen Ergebnisse unseres Treffen zu instruieren. Anschließend ging es nochmals zu einer kurzen Abschlußbesprechung ins Büro des Direktors.


Die Ingenieurin im Gespräch mit einer Konstrukteurin und Alex

So gegen 14:30 Uhr fuhren wir dann mit Alex, dem Chauffeur und seinem blauen Daimler zurück nach Minsk. Zwischenzeitlich hatte es aufgehört zu regnen und als wir kurz vor 16.00 Uhr beim Büro von Alex ankamen zeigte sich sogar ein bisschen die Sonne.
Ich war mit dem Tag bis jetzt schon ganz zufrieden, den unser VW-Bus stand noch wohlbehalten auf dem Parkplatz. Dies hatte ich nicht unbedingt erwartet, denn über die Kriminalität in (Weiß)russland hört man ja so einiges. Ich weiß nicht, ob unser VW-Bus mit seinen 23 Jahren für irgendwelche Ganoven zu unattraktiv wirkte, ob die Kriminalität doch nicht so ausgeprägt ist wie das immer erzählt wird, oder ob wir einfach nur Glück hatten. Wie dem auch sei, ich war zufrieden. Nachdem man das Glück bekanntlich nicht überstrapazieren soll und ich auch keine Lust mehr hatte, mir nochmals irgendwelche Storys von Alex anzuhören, verzichtete ich gerne auf die Teilnahme an der Abschlußbesprechung in seinem Büro - und schließlich gingen mich die geschäftlichen Dinge ja eigentlich auch nichts an.
Unerwartet schnell, so nach ca. 30 min kam Andreas auch schon wieder zurück - ihm wurde es langsam auch leid, die selben Dinge zum x-ten mal zu besprechen und zu vereinbaren, wohl wissend, dass später doch alles ganz anders realisiert wird.

Alex, der auch noch mit Andreas zum Bus gekommen war um sich nochmals von uns beiden zu verabschieden, hatte in den vergangen Tagen mehrfach von seinem Geschäftsfreund Wim erzählt, der angeblich mehrmals im Monat von Holland nach Minsk fährt. Er passiert dabei immer die Grenze zwischen Polen und Weißrussland in Grodna, denn da wäre alles viel unproblematischer als an der Grenze bei Brest. Auch jetzt, wo unsere Abfahrt unmittelbar bevorstand, erzählte Alex uns das wieder.

Nachdem wir uns von Alex verabschiedet hatten, machten wir uns so gegen 16.30 Uhr auf den Weg. Für die Rückfahrt entschieden wir uns für die Strecke über Grodna. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war allerdings weniger die Hoffnungen auf einen problemlosen Grenzübertritt. Wir wählten diese Route vielmehr deshalb, weil wir die Strecke Warschau - Brest - Minsk bereit von der Hinfahrt kannten und auf der Rückfahrt gerne noch etwas Neues sehen wollten.

Nachdem wir endlich auf der richtigen Straße nach Grodna waren - dieses zu finden gestaltete sich trotz unseres 5 $US-Standplans von Minsk etwas schwieriger - ging es recht zügig voran. Die Landschaft war, wie es Juri bereits am Abend zuvor erzählt hatte, leicht hügelig, teilweise bewaldet und es gab eine Reihe von idyllisch gelegenen Seen.

Da wir die Grenze tagsüber passieren wollten, suchten wir uns ca. 50 km vor Grodna einen Schlafplatz. Beim zweiten Versuch waren wir erfolgreich und fanden einen Platz auf einer Wiese die Bestandteil einer größeren Lichtung war. Am Waldrand, etwa 200 m von uns entfernt, sahen wie eine größere Ansammlung von Reihern oder Störchen (die man allerdings auf dem Foto nicht erkennt).


Schlafplatz etwa 50 km vor Grodna

 

Mi. 19.07.2000: Die Rückreise

Die erste und hoffentlich auch letzte große Hürde die uns heute bevorstand, war die Grenze. Also erst einmal gründlich Frühstücken - das Ambiente war ja ganz ansprechend. Um 8.30 Uhr machten wir uns dann wieder auf den Weg. Etwa eine Stunde später waren wir in Grodna. Dann allerdings kam das erste größere Problem: Wo ist die Grenze? Wie immer war eigentlich alles ganz einfach, man muss nur den Schildern nachfahren. Aber 'uneigentlich' gab es eine Umleitung die ziemlich schlecht ausgeschildert war und so brauchten wir nochmals über eine Stunde um an die Grenze zu gelangen.

An der Grenze bot sich das Bild, das wir erwartet bzw. befürchtet hatten: Eine tierisch lange Autoschlange. Im Gegensatz zu der polnischen Seite wurden wir hier allerdings von keinen Helfern angesprochen, die uns, gegen entsprechende Bezahlung selbstverständlich, einen Platz vorne in der Nähe des Schlagbaums beschaffen wollten. Was sollten wir also tun? Auch ohne eine detailliertere Kenntnis der Situation war klar, dass das hier Tage dauern kann. Andreas meinte wir sollten einfach an der Schlagen vorbeifahren. Ich erinnerte mich an eine Reise ins Baltikum vor ca. acht Jahren: Im Reiseführer stand damals, dass Deutsche an der Grenze zwischen Litauen und Polen bevorzugt abgefertigt werden und daher an der Schlage vorbei, nach vorne fahren sollten bzw. durften. So haben wir es damals dann bei der Ein- und Ausreise auch gemacht, und niemand hat daran Anstoß genommen. Also, habe ich mir diese positiven Erfahrungen vergegenwärtigt und wir sind dem Vorschlag von Andreas folgend, an der Autoschlage vorbei nach vorne gefahren. Grob geschätzt, erreichten wir nach 2 - 3 km den ersten 'Grenzposten', ein Uniformierter der auf der Straße stand und irgendwelche Zettel verteilte. Wir sind dann, zugegebeben mehr aus versehen, hinter seinem Rücken vorbeigefahren. Nun folgte ein freier Straßenabschnitt von ca. 500 m Länge, dann kam ein erster Kontrollposten, von dem wir allerdings durchgewunken wurden. Nach weiteren ca. 500 m sahen wir den Schlagbaum, davor etwa 5 Autos, alle mit weißrussischen oder polnischen Kennzeichen. Wir stellten uns hinten an und es dauerte nicht lange, da kam ein Grenzbeamter und wollte einen 'Tallon' von uns sehen. Wir wußten nicht ganz genau was er damit meinte, also zeigten wir ihm unsere Reisepässe. Er aber scheute keinen Aufwand um uns klar zu machen, dass wir ihm unseren 'Tallon' geben sollten. Wir stellten und ziemlich unverständlich an, was auch nicht weiter schwierig war, denn er sprach ja nur (weiß)russisch. Aber es war offensichtlich: Wir brauchen einen Tallon. So wurden wohl die Zettel genannt, die der Uniformierte ganz am Anfang der Grenze verteilte.

Da wir keinen Tallon hatten, wollte er uns zurückschicken - ganz an den Anfang der langen Schlange! Für uns war klar, dass wir uns darauf nur im aller größten Notfall einlassen würden - und so groß war unsere Not jetzt noch nicht. Also erst mal hier vorne wo wir jetzt schon sind, rechts am Straßenrand parken und die Situation per pedes erkunden. Hierbei fragte ich jeden Uniformierten der mir über den Weg lief nach der 'Quelle' für die Tallons. Ich konnte es kaum glauben, aber alle Antworten die ich erhielt waren konsistent. Die Tallons gibt es ganz am Anfang des Grenzbereiches. Also ging ich dort hin. Dies war genau die Stelle, an der wir den ersten 'Uniformierten' so elegant hinterrücks umfahren hatten. Um diesen herum war eine ganze Menschentraube, die alle nur das Eine wollten - Tallons. Er verteilte dieses tatsächlich, allerdings wollte der dazu das Auto sehen, da er die Nummer des Kennzeichens auf die Tallons schrieb. Aber genau das war mein Problem, denn unser VW-Bus stand ja schon einen Kilometer weiter vorne. Nach mehreren vergeblichen Versuchen war mir klar, dass es ziemlich aussichtslos ist von diesem Menschen ohne unmittelbare physische Gegenwart unseres Autos einen Tallon zu bekommen. Also ging ich wieder zurück zum VW-Bus, aber Andreas der dort wartete wußte auch nichts Neues bzw. positives zu berichten. Derweil wir so nachdachten was wir als nächstes versuchen konnten, erweckte ein anderer, ziemlich neuer VW-Bus (für Insider: Modell T4) mit deutschen Kennzeichen unsere Aufmerksamkeit. Er parkte nur wenige Meter von uns entfernt. Also mal hingehen und fragen was dessen Fahrer so zum Thema 'Tallon' zu sagen hat. Er hatte etwas zu sagen, was für uns ziemlich positiv klang. Er erzählte nämlich, dass er zunächst auch keinen gehabt hätte (weshalb kann man sich denken), nun aber in dem Häuschen schräg gegenüber von einem älteren Zöllner für 20 $US einen gekauft hätte.

Also, da war doch die Lösung des Problems - dachte ich zumindest. Als ich aber in das Häuschen ging, war da nicht ein Zöllner sondern zwei, und alt war keiner von ihnen. Ich habe bei solchen Aktionen immer ein ziemlich schlechtes Gewissen, den aufgrund meiner innersten Überzeugung bin ich eigentlich der Auffassung, dass man im Allgemeinen Niemanden und im Besonderen Staatsbedienstete nicht bestechen sollte. Als ich den beiden Zöllnern mein Problem mit dem fehlenden Tallon erkläre und auch, natürlich ganz diskret, eine Lösungsvorschlag aufzeigte, merkte ich ziemlich schnell, dass das wohl nichts werden wird. Naja, wenigstens im Hinblick auf die Beruhigung meines Gewissens ein positiver Aspekt. Aber einen Tallon hatten wir immer noch nicht!

Also der nächste Versuch. Ich ging nochmals ganz zum Anfang des eigentlichen Dilemmas, nämlich dort hin wo der Uniformierte die Tallons verteilt. Nachdem inzwischen wohl Schichtwechsel gewesen war, war da nun eine anderer Mensch als zuvor - so bestand auch keine Gefahr, dass er mich noch von vorher kennen würde. Ich versuchte ihm zu erklären, dass unser Auto schon da vorne stehen würde, wir allerdings keinen Tallon hätten (soweit entsprach es ja auch der Wahrheit). Ich erzählte ihm auch, dass man mich zu ihm geschickt hätte, damit er mir jetzt einen Tallon geben sollte. Er diskutierte das Problem noch mit zwei weiteren Grenzbeamten. Diese hatten einen Kampfanzug an und waren mit einem Gewehr bewaffnet. Alle waren sie beeindruckt, wie man ohne Tallon an der Grenze so weit nach vorne kommen kann - und dabei hielten sie doch ihre Kontrollen für so undurchlässig. Aber auch nachdem noch zwei weitere 'Uniformierte' in die Diskussion involviert wurden, bekam ich immer noch keinen Tallon. Also machte ich mich wieder auf den Rückweg. In der Hoffnung, dass ich in dem Häuschen, das ich bereits vorhin aufgesucht hatte, jetzt den besagten älteren Zöllner antreffen könnte, wollte ich gerade nochmals in dieses hineingehen. Doch plötzlich hielt ein Auto mit zwei Grenzbeamten neben mir. Ich erklärten denen wieder mein Problem mit dem fehlenden Tallon, so wie ich es zuvor schon beliebig vielen Grenzbeamten erklärt hatte. Doch diesmal nahm die Sache eine unerwartete Wende: Einer der Beamten sagte, er wäre über das Problem informiert und würde mir jetzt einen Tallon geben. Es gab nur noch ein kleines technisches Problem. Er hatte keinen Kugelschreiber. Also griff ich schnell in meine Jacke und gab ihm einen. 30 sec. später hielt ich endlich, nach weit über einer Stunde, unseren Tallon in den Händen. Ich war mir wohl bewußt, dass er noch meinen Kugelschreiber hatte, aber überglücklich bedankte ich mich nochmals und ging zurück zum Auto. So, das wäre geschafft!

Jetzt kommt also der erste Schlagbaum und dann die eigentliche Grenze. Mit unserem Tallon ging die Kontrolle am Schlagbaum richtig schnell, da dort nur das Vorhandensein des Tallons kontrolliert wurde. Nach dem Schlagbaum wähnten wir uns schon in dem Glauben, das Schlimmste hinter uns zu haben, aber dann bog die Straße ab und ein bisher nicht einsehbarer Teil der Grenze eröffnete uns drei weitere Schlangen, jede mit ca. 10 Autos, die sich vor der eigentlichen Grenzabfertigung stauten. Während wir so in der Schlage standen, kam ein Zöllner und wollte sich im Auto umschauen. Ich blieb auf dem Fahrersitz sitzen, Andreas stieg aus und öffnete die Schiebetür. Der Zöllner schaute sich zunächst im 'Wohnbereich' unseres VW-Busses etwas um, dabei wollte er auch einen Blick in die Schränke und den Kühlschrank werfen. Anschließend warf er noch einen Blick in den Motorraum. Als er wieder am Auto vorbei nach vorne lief, schaute er nochmals zu Schiebetür rein. Ich drehte mich wieder um, um zu sehen was jetzt wohl noch kontrolliert werden soll. Auf unserem Tisch lag ein noch geschlossenes Päckchen mit Pistazien. Er nahm es in die Hand und begutachtete es. Mir gingen während dessen schon die typischen Gedanken durch den Kopf: Was haben wir jetzt wieder falsch gemacht? Darf man etwa keine Lebensmittel bzw. Pistazien einführen? Es dauerte nicht lange, das wandte der Zöllner seine Blicke von dem Päckchen Pistazien ab und schaute mich fragend an. Ich lächelte und nickte - und er ließ das Päckchen flink in seiner Jackentasche verschwinden!

Wir waren zufrieden auch diese Kontrolle mit vernachlässigbar geringen Verlusten überstanden zu haben und warteten weiter in der Schlage, die sich nur sehr langsam vorwärts bewegte.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann kam der Grenzbeamte, der mir zuvor den Tallon gegeben hatte. Ich ahnte schon das Schlimmste, aber das war völlig unbegründet: Er wollte mir nur meinen Kugelschreiber zurückgeben, den er zuvor eingesteckt hatte. Es war ein blauer Kugelschreiber aus Plastik, wie man ihn in jedem Bürogeschäft im 10er Pack für ein paar Mark kaufen kann. Auch meine freundliche Reaktion, dass er den Kugelschreiber gerne behalten könnte, brachten ihn nicht davon ab, mir diesen unbedingt wieder zurück zu geben.

Diese beiden konträren Erlebnisses, die sich nur innerhalb weniger Minuten ereigneten, sagen sicherlich eine ganze Menge über die unterschiedlichen sozialen Kompetenzen weißrussischer Grenzbeamte aus - ich möchte diese daher hier kommentarlos stehen lassen.

Nach ca. 20 min waren wir ganz vorne an der Grenzabfertigung. Zunächst mussten wir wieder die gleichen komischen Formulare wie bei der Einreise ausfüllen. Aber leider gab es die dieses Mal nur in weißrussischer Sprache. Für uns kein Problem, denn wir hatten ja noch das Duplikat des (deutschen) Formulars, das wir bei der Einreise ausgefüllt hatten. Da uns beide Formulare auf den ersten Blick gleich erschienen, übertrugen wir einfach die Angaben in das weißrussische Formular. Offensichtlich war die Grenzbeamtin mit unserer Arbeit zufrieden, denn wir bekamen ziemlich schnell unser Visas abgestempelt. Der einzige Wehmutstropfen war dabei, dass wir unseren Tallon, den wir nach solchen Schwierigkeiten bekommen hatten, nun wieder abgeben mußten. Naja, aber dafür durften wir nun endlich ausreisen.
Nach der weißrussischen Grenze kam die polnische. Dort ging allerdings alles problemlos und nach weiteren 5 min waren wir dann um 13.00 Uhr wieder in Polen. Es war auffällig, dass hier auf der polnischen Seite die auf die Einreise wartende Autoschlange deutlich kürzer war - vielleicht ist dieser Grenzübergang doch ein guter Tipp - zumindest für die Einreise.

Die Fahrt durch Polen ging recht zügig voran, da der Verkehr gering und die Straßen gut ausgebaut waren. Das Wetter wechselte zwischen Regenschauern und kürzeren sonnigen Abschnitten. Je näher wir Warschau kamen, um so häufiger standen am Straßenrand Frauen, die ganz offensichtlich ihre (Liebes)dienste anboten.
Gegen 17.00 Uhr erreichten wir die Vororte von Warschau und steuerten erst einmal ein Einkaufszentrum an, um etwas Gebäck für den bevorstehenden Nachmittagskaffee zu kaufen. Das Einkaufszentrum war eigentlich nichts Besonderes, eben eines von der Sorte, wie man sie überall in Westeuropa finden kann. Bei mir hinterließ dieses Einkaufszentrum dennoch einen tiefen Eindruck, denn aus meinen früheren Polenreisen, von denen allerdings auch die letzte schon sieben Jahre zurückliegt, war ich so einen Wohlstand noch nicht gewohnt. Aber zumindest Polen scheint nun auf dem Weg zum westlichen Wohlstand ein ganzes Stück vorangekommen zu sein. Sicherlich blieben da viele und vieles auf der Strecke. Ich möchte an dieser Stelle jetzt allerdings nicht damit beginnen, meine gesellschaftspolitischen Ansichten zum Besten zu geben, sondern zum Wesentlichen zurückkommen - Andreas kaufte im dem Einkaufszentrum Gebäck zum Kaffeetrinken.

Wir fuhren noch etwa eine Stunde, bis wir Warschau hinter uns gelassen hatten und machten dann, abseits der Hauptstraße, unsere wohlverdiente Kaffeepause. Anschließend setzten wir unsere Fahrt fort.

 

Do. 20.07.2000: Back home again

Hier kommt jetzt ein Novum in diesem Reisebericht: Die erste Beschreibung eines Tages, die nicht mit dem Frühstück beginnt. (Keine Angst, der Abschnitt über das Frühstück kommt später). Im Anschluß an unsere Kaffeepause, die wir kurz nach Warschau eingelegt hatten, fuhren wir weiter in Richtung Heimat. Zu Beginn dieses Tages, genau um 0.15 Uhr erreichten wir Breslau (jetzt Wroclaw) genannt. Bei Andreas war das Bedürfnis, nun endlich wieder nach Hause zu kommen, ziemlich ausgeprägt. Er beschloss daher, heute Nacht bzw. jetzt, denn die Nacht war ja schon zur Hälfte vorbei, weiterzufahren. Ich legte mich nun erst einmal nach hinten um etwas zu schlafen. Allerdings habe ich meist gewisse Schwierigkeiten in einem fahrenden Auto bzw. Zug richtig effektiv zu schlafen. Wenn sich dann auch noch, wie bei meinem alten VW-Bus, der Motor ziemlich genau 30 cm unter dem Kopfkissen befindet, ist das einem erholsamen Schlaf auch nicht sonderlich zuträglich.

So gegen 4.00 Uhr näherten wir uns der deutsch/polnischen Grenze bei Görlitz. Vor dem Grenzübertritt wollten wir noch unsere letzten Zlotys ausgeben. Hierfür bietet es sich im Allgemeinen an, das Auto vollzutanken - wir taten das auch, aber anschließend waren immer noch Zlotys übrig. Also kauften wir noch einen Wodka und jede Menge Schokoladenkekse. Da wir wieder etwas Schwierigkeiten hatten den 'richtigen' Grenzübergang zu finden, überquerten wir die Grenze nicht am Grenzübergang an der Hauptstraße sondern mitten in der Stadt bzw. zwischen den Städten Zgorzelec und Görlitz. Morgens um vier Uhr war da nur ein Lieferwagen vor uns, so dass wir innerhalb von ein paar Minuten in Deutschland waren. Die richtige Auffahrt zur Autobahn war dann auch schnell gefunden und auf dieser fuhren wir dann in Richtung Westen. Gegen 6.00 Uhr hielten wir auf einem Rastplatz in der Nähe von Dresden zum Frühstücken an. Nachdem wir uns gestärkt und auch den Motor noch mit einem Schluck Öl bedacht hatten, fuhren wir so gegen 7.00 Uhr weiter. Völlig problemlos ging es dann vorbei an Zwickau und Nürnberg zurück nach Hause, wo wir gegen 13.00 Uhr ankamen.


Back home again

 

Resumeé

Wir waren fast eine Woche unterwegs. In dieser Zeit haben wir nicht nur etwa 3.400 km zurückgelegt, sondern auch eine Menge Erfahrungen gesammelt. Einige Vorurteile, z. B. das der im 'Ostblock' allgegenwärtigen Kriminalität, der schlechten Straßenverhältnisse oder der mangelnden Benzinversorgung fanden wir (glücklicherweise) nicht bestätigt. Andere, z. B. über den heruntergekommenen Zustand vieler (Wohn)gebäude und insbesondere Fabriken können wir aus der 'Schublade' der Vorurteile jetzt zu den Tatsachen rechnen. Die Menschen mit denen wir in Kontakt kamen waren größtenteils freundlich und hilfsbereit. Das Spekulieren darüber, ob das trotz oder wegen ihrer relativen Armut so ist, möchte ich anderen überlassen. Die Grenzübertritte zwischen Polen und Weißrussland waren etwas nervig, aber sie waren durchaus mit vertretbaren Zeitaufwand zu bewältigen – es hätte schlimmer ausfallen können!

Mein VW-Bus hat sich technisch, wie schon auf vielen anderen Reisen, wieder von der besten Seite gezeigt. Warum auch sollte der Motor oder das Getriebe ausgerechnet jetzt kaputt gehen, wo alles doch schon mehr als 230.000 km gehalten hat? Aber ähnliche Überlegungen stelle ich vor jeder größeren Reise an - und das ist eine andere Geschichte.

Zusammenfassend können wir eine Reise nach Weißrussland nur empfehlen - insbesondere dann wenn man zuvor noch nicht dort war.

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  • HD 27/12/2001